DRUSCHBA
Freundschaftszug


Heute wird's sportlich - politisch - sportlich politisch, denn ich war in Russland. Gemeinsam mit einer Gruppe von ca. 100 anderen Reiselustigen machte ich mich Anfang Juni mit dem Zug vom Berliner Ostbahnhof auf den Weg in Richtung Moskau. Wieso ist das politisch? Weil es begleitet von medialer Hetze momentan eher nicht angesagt ist, sich mit "den Russen" zu verbrüdern. Es ist eher üblich, sich von einem Feindbild zum nächsten zu hangeln, damit geopolitisch motivierte Kriege weiterhin salonfähig bleiben und von der Bevökerung nicht allzu kritisch hinterfragt werden. Aber genau deshalb waren wir dort. Es ging um eine Begegnung von Mensch zu Mensch und darum, dass wir im Grunde eigentlich alle das Gleiche wollen: Frieden!

Der Druschba Friedenszug brachte uns in einer 22 stündigen Fahrt über Polen und Weißrussland in die russische Hauptstadt, wo wir mit einem rührenden musikalischen Empfang begrüsst wurden. Noch am gleichen Abend oder am nächsten Tag führte uns die Tour dann in Gruppen von 1-20 Menschen nach Grozny, zum Baikalsee, nach Sotchi und Krasnodar, St. Petersburg, Nizni Novgorod, auf den sogenannten Goldenen Ring und auf Familienlandsitze im Moskauer Umland. Meine Gruppe flog am nächsten Tag weiter auf die Krim, wo wir von verschiedensten Menschen ebenso herzlich empfangen und über die Halbinsel begleitet wurden, wie bereits in Moskau. Die Gewerkschafterin Natalja hatte uns mit unglaublich viel Engagement und Begeisterung einen Plan für die nächsten Tage zusammengestellt und begleitete uns durch ihre Heimat.

In Simferopol angekommen hatten wir gleich einen Empfang bei der Stadtverwaltung der Krim- hauptstadt, der mit einem mehrgängigen Abendessen und jeder Menge Vodka für die Männer endete, den uns der gesellige Bürgermeister persönlich einschenkte.


Wir besuchten in den kommenden Tagen eine Kriegsgräberstätte, wo der im zweiten Weltkrieg gefallenen deutschen Soldaten gedacht wurde und legten Blumen an einer Gedenkstätte für russische Soldaten nieder.

       
Wir waren in einer alten Festung, die heute als Museum dient und wo wir mehr über die Geschichte der Krim erfuhren, die im Laufe der Jahrhunderte dem ein oder anderen Angriff standhielt.

Wir tauchten in das trubelige Leben von Jalta ein, waren im Livadia Palast, wo Stalin, Churchill und Rossevelt mit dem Jalta Abkommen seinerzeit über die Teilung Deutschlands verhandelten und der der letzten Zarenfamilie, den Romanovs, als Feriendomizil gedient hatte. Außerdem spazierten wir durch die Ruinen der alten griechischen Stadt Chersones.

                           


Wir machten uns auf Erkundungstour in der U-Bootanlage von Balaklava, einem Stadteil von Sewastopol, die im Ernstfall als Atomoschutzkeller für die Bevölkerung hätte dienen sollen. In Jewpatorija trafen wir auf Krimtataren und besichtigten eine Derwisch Gemeinde. Wir trafen auf deutsche Aussiedler.


Wir badeten im Schwarzen Meer und wurden auf einer Bootstour von Delfinen begrüßt.





Wir tanzten in den Russendiskos am Strand und eine wundervolle ukrainische Musikerin entschied sich, am Abschiedsabend für uns zu spielen, statt für eine Militärakademie. Wir lachten mit den Russen und wir weinten mit ihnen.



„Aber die Krim wurde doch von den Russen annektiert!"

Ist das tatsächlich so? Von dem Friedensforscher Dr. Daniele Ganser habe ich gelernt, dass laut Völkerrecht eine gewaltsame Übernahme eines Landes oder Teile davon nicht hinnehmbar ist. Dennoch gilt das Selbstbestimmungsrecht der Bevölkerung. Auf der Krim gab es nach meinem Verständnis eine friedliche Abstimmung darüber, zu welchem Land die Bewohner nach dem von den USA unterstützten Regimechange und der Machtübernahme nationalistisch orientierter Kräfte gehören wollen. Die Menschen wurden nicht mit Kalaschnikows an die Wahlurnen gedrängt. Aber das war auch gar nicht nötig. Unter anderem wollte die neue Kiewer Regierung der russisch-sprachigen Bevölkerung -und das ist auf der Krim der Großteil der Menschen- den Gebrauch ihrer Muttersprache verbieten. Stellt euch vor, in Deutschland dürften wir künftig nur noch Dänisch sprechen. Da wär ich entschieden dagegen. So haben sich auch die Menschen der Krim entschieden, wieder zu Russland und nicht zur Ukraine gehören zu wollen.

„Wurden die nicht gezwungen, sich für Russland zu entscheiden“?

Die meisten Menschen, die ich auf der Krim getroffen habe versicherten ziemlich glaubwürdig, dass sie froh darüber sind, wieder in Russland zu leben. Wirtschaftlich habe sich vieles verbessert, es werde wieder in Kindergärten investiert und den Menschen gehe es verhältnismäßig gut.


„Die dürfen doch gar nicht frei ihre Meinung äußern!“

Dürfen sie das nicht? Ich kann mich täuschen, aber es erschien mir nicht so, als habe jeder einen Chip vom KGB implantiert bekommen, der jede Meinungsäußerung mitschneidet. Selbst in der DDR, die strenger überwacht war, haben es die Menschen sich nicht nehmen lassen, immer wieder ihre wirklichen Gedanken aufblitzen zu lassen. Die Menschen, mit denen wir unterwegs waren: Menschen mit ukrainischen Wurzeln, Natalja’s Tochter Katja, die lange Zeit in Polen gelebt hatte, die Deutschlehrerin Angela, 2 Deutschstudenten, eine Musikerin, Nachfahren von deutschen Aussiedlern, Passanten am Wegesrand oder Menschen aus den einzelnen Stadtverwaltungen wirkten auf mich nicht mehr oder weniger frei, als wir selbst. Zugegeben: ein Passant, dem jemand aus unserer Gruppe einen Druschba Flyer in die Hand gedrückt hatte sagte, er wolle damit nichts zutun haben. Russland habe die Krim annektiert. Das war einer, von dem ich mitbekam, dass er offensichtlich nicht mit der politischen Situation zufrieden ist. Dem gegenüber stehen hunderte von interessierten Menschen jeden Alters, die uns neugierig und wohlwollend begegneten, wenn wir mitteilten, warum wir dort waren. Irgendwann hieß es dann aber doch Abschied nehmen und uns wieder auf den Weg in die russische Hauptstadt zu machen.



Doch auch Moskau hielt weitere Abenteuer für uns bereit. Die russisch-deutsche Friedenstruppe traf sich im Kolomonskoje Park wieder. Einst war hier eine Zarenresidenz. Der alte hölzerne Palast ist heute wieder aufgebaut. Wir feierten zusammen, bemalten Matrjoschkas, pflanzten Zedern und lernten Russisch im Schnellverfahren. Aber vor allem tanzten wir. Vier Stunden lang wirbelten wir wie von Zauberhand geleitet durch den Park um in unserer Mitte zu landen.




Die Stadt war bereits voll von internationaler Freude. Wir besuchten den Platz des Sieges. "Meinst Du die Russen wollen Krieg?" Wir sangen und legten beeindruckt von der gewaltigen Atmosphäre dieses Ortes Blumen bei der ewigen Flamme nieder. Wir sahen den Roten Platz und die Zwiebeltürme der Basilius Kathedrale. Und wir feierten mit den Nachtwölfen, die am Rande der Stadt ihren kunstvoll aus Altmetall zusammengeschweißten Spielplatz aus Skulpturen, außergewöhnlichen Fahrzeugen und Musik unter Leitung des "Chirurgen" geschaffen haben.






Und dann wurde die WM eröffnet. In überwältigender Kulisse vor der Lomonossov Universität auf einer Anhöhe über der Stadt, vom Lushniki Stadion durch die Moskva getrennt, feierten Menschen aus aller Welt friedlich miteinander. Allgegenwärtig war unsere Druschba Fahne, unser Symbol für den Frieden. Und obwohl ein Großteil der großartig gelaunten Menschen von allen Kontinenten unsere russischen Flyer nicht lesen konnten und wir aufgrund der Lautstärke der Elektrobeats des berühmten DJs nicht miteinander sprechen konnten, schien doch jeder zu spüren, auf welch heilsamer Mission wir uns befanden.

Die Fußball Fanmeile wurde zur DRUSCHBA FANMEILE (bitte anklicken)!



Die Nacht wollte nicht enden, doch am nächsten Tag sollte es wieder nach Deutschland gehen. Der Zug brachte uns auf dem gleichen Weg nach Berlin, auf dem wir unsere deutsche Hauptstadt damals verlassen hatten. Doch wir waren nicht mehr die gleichen. Aus Fremden waren Freunde geworden und jeder hatte seine eigene Geschichte von Russland mit im Gepäck.

Ein letztes gemeinsames Lied, ein letztes gemeinsames Mahl sollte es vor dem Reichstag bei einem Picknick geben. Doch die heimischen Ordnungshüter waren nicht damit einverstanden, dass wir mit mehr als 15 Menschen "im befriedeten Bereich des Bundestages T-Shirts mit der Aufschrift 'Für den Frieden' " trugen. Die Absurdität dieses Vorwurfes schreit so laut, dass man nicht weiß, ob man lachen oder weinen soll und einfach in der Ungläubigkeit erstarrt. Auch wenn die Beamten selber nicht wussten, wo die Bannmeile anfängt, geschweige denn, wo sie endet, wurde der Friedensfahrt Initiater Rainer Rothfuß angezeigt und von anderern Teilnehmern wurden die Personalien aufgenommen und ein Bußgeld verhängt.



WELCOME HOME!


Doch das machte der gutgelaunten Meute nichts aus. Wir zogen weiter an die Spree, spielten unsere letzten Lieder, wechselten die letzten Worte und flogen jeder wieder in die Richtung aus der wir gekommen waren. Oder ganz woanders hin.

Was bleibt sind Erinnerungen an eine unvergessliche Reise und die Gewissheit, dass die Welt ein friedliebender Ort ist und seine Bewohner in jedem Land einfach nur in einer Gemeinschaft leben wollen, die von gegenseitigem Verständnis und Miteinander geprägt ist. In Nord und Süd, in West wie in Ost. Krieg ist nur etwas für Menschen, die nie gelernt haben sich selbst und das Leben, geschweige denn jemand anders zu lieben. Die meisten Menschen wollen keinen Krieg! Die meisten Menschen wollen Frieden!

!DRUSCHBA!